Das Bündner Bergdorf Samnaun befindet sich in der Schweiz, und doch sprechen die Leute hier eine Tiroler Mundart. Denn: Es ist erst seit 1912 über eine Schweizer Strasse erreichbar.

Steil aufragende Hänge und bizarre Berge, die in Nebelschwaden verschwinden. Am Abend unserer Anfahrt nach Samnaun ist das Wetter nicht gerade freundlich. Und trotzdem oder gerade deswegen beeindruckt uns die Landschaft durch ihren mystischen Zauber, der uns den leichten Nieselregen vergessen lässt.

Weil sich Gäste immer kurzfristiger entscheiden, ob sie für einige Tage verreisen wollen, sei gutes Wetter für die Tourismusorte enorm wichtig, und das im Sommer wie im Winter, sagt Hubert Zegg, Inhaber von zwei Hotels und verschiedenen Geschäften in Samnaun. Das bestätigt auch ­Daniel Eisner, Gastgeber, Di­plom-Sommelier und Direktor des Hotels Chasa Montana: «Früher haben die Leute von Samstag bis Samstag Ferien gebucht. Heute verreisen sie, wenn sie Zeit haben, für drei bis vier Tage. Das aber vor allem dann, wenn das Wetter stimmt.» Korrekte Wettervorhersagen sind für das Dorf ganz am Ende des Unterengadins also überlebenswichtig.

In der Woche bevor wir anreisen, gibt es mehr Sonne als vorhergesagt. Allerdings können sich die Hotels, trotz des starken Frankens, diesmal nicht über eine zu geringe Auslastung beklagen. Der 1. August ist im Sommer, was der 31. Dezember im Winter ist: die beste Zeit der Saison. Das Dorf feiert den Schweizer Nationalfeiertag jeweils mit einem Markt, für den die Dorfstrasse gesperrt wird. Zu den Feierlichkeiten gehören verschiedene Showeinlagen und ein vielseitiges Kinderprogramm. Und natürlich gibt es zum Abschluss ein grosses Feuerwerk. Nicht so schlimm also, wenn das Wetter einmal nicht mitmacht.

Das höchste Zollhäuschen

Am Abend des diesjährigen Nationalfeiertags regnet es in Strömen. Schon am nächsten Morgen wagt sich jedoch die Sonne wieder hervor, und am Tag dar­auf ist der Himmel strahlend blau. Das Bergdorf an der Schweizer Grenze zu Österreich zeigt sich uns von seiner besten Seite. Unser Morgen ist noch einem Besuch im hoteleigenen Spa gewidmet (siehe Box). Am Nachmittag nutzen wir die Gelegenheit, um die Berge von Samnaun zu erkunden. Mit der doppelstöckigen Gondelbahn geht es – zusammen mit zahlreichen anderen Touristen – hinauf zur Alp Trider. Die Sicht ist wunderbar. Auf der einen Seite sieht man in die Berge des Unterengadins, auf der anderen ragen die ­Tiroler Alpen in die Höhe. Nach zweimal umsteigen und zwei Sesselbahnen kommen wir auf dem Viderjoch, 2757 m ü. M., an und sind damit auf der Grenze angelangt. Hier, unterhalb des Flimspitzes, steht das höchstgelegene Zollhäuschen der Gegend.

Auf dem Viderjoch befinden wir uns inmitten des grössten ­zusammenhängenden Skigebiets der Ostalpen. Bereits 1978 hatten sich die Samnauner mit den Tirolern zusammengetan und die Skiarena Samnaun-Ischgl eröffnet.

Durchbruch dank Skiarena

Zu Beginn glaubten nicht viele ­daran, dass der Zusammenschluss funktionieren kann. «Es war eine harte Arbeit», erinnert sich der Hotelier Hubert Zegg. Er war die treibende Kraft des Zusammenschlusses. Bis er vor zwei Jahren einem jüngeren Nach­folger Platz machte, war er Delegierter des Verwaltungsrates der Bergbahnen Samnaun.

Immerhin habe es sich um einen grossen Eingriff in die Natur gehandelt, sagt er. Wäre das Projekt nicht erfolgreich gewesen, wäre das Dorf dem Untergang geweiht gewesen, ist er überzeugt. «Wir hätten wohl auswandern müssen.» Samnaun war zwar schon in den Anfängen des Tourismus ein beliebtes Ziel für Alpinisten und Skitourenfahrer. Der Vater von Hubert Zegg eröffnete 1934 eines der ersten Hotels in Samnaun. Als andere Skigebiete Anfang der 1970er-Jahre Lifte bauten, gingen die Gästezahlen im grenznahen Bergdorf jedoch zurück.

Das Grossprojekt der Skiarena Samnaun-Ischgl, das schon damals 16 Millionen Franken gekostet hatte, brachte dem Dorf aber den Durchbruch: Während es vor dem Bau der Skiarena Samnaun-Ischgl in Samnaun 800 Ferienbetten gab, verfügt das Dorf heute über insgesamt 2600 Übernachtungsbetten, die Hälfte davon sind Hotelbetten, die andere Hälfte verteilt sich auf Ferienwohnungen, die mehrheitlich von Einheimischen vermietet werden.

Die meisten Gäste hat Samnaun im Winter. Das Gebiet bietet aber auch im Sommer und im Herbst für Wanderer einiges. Im Sommer (bis Mitte September) gibt es zudem attraktive Downhill-Routen für Mountainbiker. Und wer kein Wetterglück hat, kann sich entweder im hoteleigenen Spa oder im öffentlichen ­Erlebnisbad in Samnaun-Compatsch vergnügen.

Die Reise wurde ermöglicht durch eine Einladung des Hotels & Spas Chasa Montana.

(Text: Susanne Schmid Lopardo, Der Landbote)